4
Dez
2005

Daran muss man sich erstmal wieder gewöhnen

  • Dass mir in einem offiziell sozialistischen Land bettelnde Kinder, Frauen und Krüppel begegnen
  • Dass in eben dem gleichen Land die dicksten Mercedes, Audi und VW neben beinahe zusammenbrechenden Lastendreirädern rumeiern
  • Dass in einem Restaurant mehr Bedienungen wie Gäste rumschleichen
  • Dass man überall Qualmen darf
  • Dass man am Tag nur (in Worten) siebeneinhalb Stunden arbeitet
  • Dass man schief angeschaut wird, wenn man am Wochenende was tun will
  • Dass man gefälligst seinen Mittagsschlaf halten muss
Das Positive und Negative liegt doch so nahe beianander.
Morrissey - 4. Dez, 17:15

ähm, was machst Du gerade in China???

nach meinem letzten Trip über Zürich Airport vorletzte Woche muss ich sagen, dass dieser Flughafen zusammen mit Berlin-Tegel und Vienna sich in die gleiche Schublade stecken lassen muss. Man sollte diese möchte gern "Drehkreuze" meiden. Provinz versucht international zu sein.

skaifyomonul - 7. Dez, 12:09

Tja,

Du sprichts mir aus dem Munde. Genau das dachte ich auch, als ich in Wien stand und mein Ticket umbuchen liess. Oder genauer: Ich dachte, die Schluchtenkacker, sollten es doch lieber sein lassen, überall in der Gegend rumzufliegen und sich stattdessen auf das Skifahren konzentrieren :-)
Aber was solls: Mit 24 Stunden Verspätung war man auch da. Da wird man wohl beim Bahnfahren im Kongo mehr einrechnen müssen :D
Zur Frage: Ich nehme hier ein Programm für ein Leitsystem ab, dass später einmal einen sogenannten ACC (Air-Cooled Condenser) steuern soll. Sozusagen, etwas die Fühler ausstrecken für mögliche Nebenjobs auf Freelancerbasis :-) Man muss die gewonnene Erfahrung ja auch ein bisschen Nutzen.
NavigatorSchneiberg - 5. Dez, 10:58

Ich verfolge deine Berichte aus China mit großem Interesse und hoffe auf weitere Postings. Ich habe - natürlich aus der europäischen Distanz - ein äußerst zwiespältiges Verhältnis zu China. Nach meinem Geschmack übersieht man zugunsten der Wirtschaftseuphorie mehr und mehr die massiven Menschenrechtsverletzungen.

skaifyomonul - 7. Dez, 12:22

Tja, die Zwote

Was soll ich dazu sagen. Zum einen bin ich gerade innerlich in einer Situation, die es mir gar nicht zulässt über die Zustände in anderen Ländern zu lästern. Vor allem nicht in Sache Menschenrechte. Was sich gerade bei uns in Europa abspielt und wie man sich verhält ist so mies, dass mir ein halbwegs gebildeter Chinese sofort ins Gesicht lachen würde, wenn ich ihn auf Menschenrechte ansprechen würde. Da kommen ein paar Saudis mit Mitläufer, sprengen zwei Türme weg und schon spielt sich die USA und Europa auf, als ob man im Mittelalter wäre. Da wird gefoltert (obwohl die Folter noch nie etwas genutzt hat, weil man in solchen Situation einfach immer das sagt, was der Folterer will - das muss man nicht mal nachlesen, dass weiss man von sich selbst), gekillt, gekriegt, usw. Dabei spielt offensichtlich nur Rache die Rolle. Rechtsstaatlichkeit? Was ist das? Wenn es sie denn in Europa jemals gab - jetzt sicher nicht mehr. Mich hat Europa so enttäuscht. Für etwas mehr Sicherheit werfen wir alles hin, wofür wir gestanden haben. Deswegen sehe ich in China auch gar nicht mehr so genau hin. Warum auch. Als Moralist brauche ich hier nicht auftreten, zumal China in Sache Menschenrechte in den letzten Jahren massive Fortschritte gemacht hat im Gegensatz zu Europa, dass nur noch Rückschritte kennt. Geht es so weiter, wie jetzt, dann werden in ein paar Jahren die Chinesen zu uns kommen und fragen, wie es mit den Menschenrechten steht. Was muss das für eine Befriedigung sein für das Reich der Mitte, wenn es sich für die ganzen Anschuldigungen revanchieren kann.
Zum anderen bin auch ich gerade fasziniert, was in diesem Land gerade geht. Wie aus den alten Kommie-Bauten ein neues Wirtschaftswunder herauswächst ist schon beeindruckend. Und dass ohne Umsturz des Systems, ohne grosse Revolution. Man mag es gar nicht glauben. Und gerade hier sehe ich auch die Kehrseiten der Medaille: Die schon erwähnten Bettler z. B. und der permamente Smog über der Stadt Xi'an. Und dann kommt mir immer wieder: Die Jungs haben nicht nur die Industrie von uns geerbt sondern auch den Smog. Nur weil wir hier alles machen lassen, können wir schön im Grünen sitzen und die Jungs hier müssen froh sein einmal einen etwas blauen Himmel zu sehen.
Sorry, dass soll jetzt kein Angriff gegen Dich sein. Es ärgert mich nur, was da abläuft. Es ist einfach das Letzte. Wo liegt der Unterschied, wenn man einen Student mit einem Panzer überrollt oder einen möglichen Terrorist in einen syrischen Folterkeller steckt. Ich seh da keinen grossen.
NavigatorSchneiberg - 8. Dez, 10:16

Ahoi ins ferne China. Mit vielem, was du sagst, hast du sicherlich Recht. Trotzdem gibt es, und das weißt du natürlich auch selbst, schon einige Unterschiede, die sich nicht weg-relativieren lassen. Allein der Umstand, dass ein von der CIA Entführter Deutscher einen solchen Aufschrei erzeugt, wie Momentan, offenbart eine Unterschied. Auch die panischen Reaktionen der USA auf die Foltervorwürfe zeugen von einem öffentlichen Diskurs, den ich in China nicht sehe (vielleicht sehe ich ihn aber auch einfach nur nicht). Wie gesagt, bei vielem, was du schreibst, bin ich durchaus bei dir. Aber man muss die Kirche, wie man so schön sagt, im Dorf lassen. In Deutschland wandert niemand für regierungsfeindliche Emails 10 Jahre in den Knast. Und wenn man die Berichte von Amnesty International oder Human Rights Watch zu Deutschland, China und (ja auch) den USA vergleicht, so hat zwar keiner ein leeres Blatt (die USA bestimmt nicht. Von Russland, die ich hier bewusst ausspare, mal ganz zu schweigen), aber es gibt - trotz der Fortschritte, die China seit den Tagen der Kulturrevolution gemacht hat - Unterschiede, die auch dir bewusst sind, da bin ich mir sicher. Und ich bleibe bei meiner Aussage: In China entsteht eine Oligarchie der Heuschrecken, ein Wirtschaftswunder ohne Gewerkschaften, Demokratie, Minderheitenschutz, Meinungsfreiheit und Umweltlobby. Und die Konzerne finden das geil. Und wollen alle mitverdienen.
skaifyomonul - 8. Dez, 13:46

Schon eine gewisse Distanz

Natürlich gibt es zwischen Europa im allgemeinen, Deutschland im speziellen oder gar den USA und China noch sehr grosse Unterschiede in Sachen Menschenrechte und privaten Freiheiten. Das gebe ich freiweg zu und da muss ich wohl auch ein kleines bisschen zurückrudern. Nur ärgert es mich noch immer derart, dass ich den Herren und Frauen unserer Führung gerne selbst eine schallende Ohrfeige geben würde (ich meine hier mal ausnahmsweise keine verbale). Sicher wird so etwas bei uns DANACH diskutiert. Und zwar solange bis jeder wieder gut dasteht und keiner schuldig war. So läuft das eben auch bei uns - jeder muss asiatisch ausgedrückt sein Gesicht wahren. Deswegen auch immer erst Dementis, dann langsames Einlenken und wenn immer noch Stress ist irgendwann mal mehr. Am besten aber immer erstmal unter den Tisch kehren, denn sie denken ja wie oft der Grossteil der Bevölkerung, und die wollen in Sicherheit ihr Benzchen fahren, in Sicherheit das Unkraut zwischen den Knochensteinen rauskratzen, sich in Sicherheit daheim gegenseitig die Teller um die Ohren werfen. Diese Sicherheit darf für den Grossteil kosten was sie will. Und in der Demokratie ist es leider so, dass eine verdummende Bevölkerung eben auch eine verdummende Führung nach sich zieht.
Aber zurück zu China: Du erwähnst die berühmten Heuschrecken und dabei glaube ich, dass Du etwas falsch liegst. Die Lage ist nicht so wie bei uns, wo zwecks Profit selbst rentable Firmen zerstückelt und verhökert werden um Rendite abzuwerfen. Hier geht man wesentlich subtiler vor. Man nutzt eben genau dieses Profitdenken unserer Nationen gnadenlos aus, um China aufzubauen. Wären wir noch im Kalten Krieg, dann wäre dass alles undenkbar, was da gerade vor sich geht. Die Chinesen sind nicht interessiert, dass wie ihnen ein tolles Land hinstellen. Sie wollen das selber tun und sie machen es auch selber. Von uns wollen sie nur das Know-How und wir in unserem stupiden Ich-Will-Mehr-Denken geben es ihnen bedenkenlos. Hauptsache die Kohle stimmt. Unsere dämlichen Idioten in Politik und Wirtschaft sind ein Glücksfall für die Chinesen. Sie geben ein paar Turbinen in Auftrag und schon haben sie ein Werk in China, dass diese Turbinen herstellt. Sie ordern ein paar Flieger und schon steht in China die Produktion derer. Das ist vertraglich festgelegt. Anders machen es die Chinesen nicht. Und wir unterschreiben fleissig. Wir müssen ja die Aktionäre zufriedenstellen, hinter denen über Umwege oft der normale kleine Mann steht (Lebensversicherungen, Altersvorsorge, usw.). Sprich die Heuschrecken sind wir selbst und China nutzt eine einmalige Chance, um erstens mit uns aufzuschliessen und zweitens uns zu überflügeln. Nach dieser einen Woche könnte ich es mir sogar vorstellen, dass es ihnen gelingt. Meine chinesischen Kollegen haben bei weitem nicht die Ahnung, die ich mitbringe (woher auch), doch trotzdem wollen sie alles selber machen und es kommen teilweise sehr gute Fragen. Sie benutzen mich eben als Berater und ich bin mir sicher, dass sie schon bald ihre ACCs zu 100% selber programmieren werden und das so, dass sie funktionieren.
Die Gesellschaft in China hat Probleme, dass ist richtig. Es gibt schon jetzt ein starkes Arm-Reich-Gefälle. Aber es wurde von der Regierung auch erkannt. Sie gab es sogar ohne Umschweife zu und versucht gegenzulenken. Doch gerade in China muss man im Hinterkopf behalten, dass die Familientradition sehr wichtig ist (sie macht es übrigens Westler sehr schwer, sich wirklich in chinesischen Staaten zu integrieren). Sie ersetzt oft unser soziales Netz. Jobs werden grossteils über Beziehungen vermittelt. Diese Tatsache verhindert oftmals, dass Leute wirklich am Boden liegen bleiben.
In den fünf Jahren Aussendienst hab ich gelernt, dass die Probleme, die wir von einem Land hören, und die Probleme, die die Leute in diesen Ländern wirklich haben, oft nicht dieselben sind. Der Staat an sich spielt meist eine recht untergeordnete Rolle. Vor allem in Ländern, wo die Leute ärmer sind. Dort müssen sie sich mit ganz anderen Problemen rumplagen. Z. B. hier in Xi'an wenn mal wieder die Luft extrem stickig wird.
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