15
Dez
2003

De Tweeling

Was leichtes sollte es sein - am Samstag, den 13. Dezember, Vortag zum Dritten Advent. Und Die Zwillinge hörte sich ja auch recht harmlos an. Pfeifendeckel! Ben Sombogaart verfilmte mit De Tweeling den gleichnamigen Bestseller von Tessa de Loo. Und der ist definitiv nicht leicht. Noch in jungen Jahren werden die eineiigen Zwillinge Anna und Lotte nach dem Tod ihrer Eltern getrennt. Beide leben danach voneinander abgeschirmt. Anna auf einem Bauernhof in Deutschland und Lotte bei einer gut betuchten Familie in Holland. Während sich Lotte nach ihrer Genesung wieder voll dem Lernen und den Künsten widmen kann, muss Anna Schwerstarbeit auf dem Hof leisten. Die Pflegeeltern erklären sie für schwachsinnig, um sie nicht an die Schule schicken zu müssen. Erst nach einem heftigen Übergriff des Pflegevaters kommt sie unter die Obhut von Nonnen. Nach einer hauswirtschaftlichen Ausbildung verdient Anna sich als Dienstmädchen. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg treffen sich die beiden Schwestern wieder. Zu diesem Zeitpunkt trennen die beiden aber schon Welten. Lotte erfreute sich einer humanistischen Erziehung. Anna jedoch durfte lange nicht zur Schule und kam schon früh mit der nazistischen Ideologie in Berührung. Für sie erschien der Führer und seine Politik in einem positiven Sinne und auch dessen antisemitischen Ansichten finden sich bei Anna wieder. Für Lotte ist das ein gewaltiger Schock.
Die Entwicklung zweier Geschwister in zwei total gegensätzlichen Gesellschaften ist die Stärke des Films. Waren die beiden in Jugendjahren noch ein Herz und eine Seele, so trennen sie Welten bei Kriegsbeginn. Der Film will uns also an diesem drastischen Beispiel zeigen, wie gross der gesellschaftliche Einfluss auf die Erziehung von Kindern ist und zu welchen Extremen er führen kann.
Leider fehlt dem Film jedoch eine Tiefe. Vieles wird nur kurz angeschnitten. Da will man z. B. Anna sterilisieren, weil sie offiziell als schwachsinnig gilt. Sowas kam in der Tat vor, doch in diesem Film wirkte es nur aufgesetzt. Die Pflegeeltern Annas gaben nicht viel mehr her als eben die barbarischen Bauern. Hier wäre etwas mehr Charakterisierung gut gewesen. Sind sie doch prägend für das Leben Annas. "Besser" in dieser Hinsicht kommt die Pflegefamilie Lottes weg. Hier bekommt man eine recht gute Einsicht in ihre Leben.
Der Film ist für seine recht ordentliche Länge (135min) einfach überladen. Schon die drei Zeitebenen schlucken wahnsinnig viel Zeit. Dann kommt noch dazu, dass man versuchte, soviel Grausamkeiten des Krieges als möglich einzubasteln (der Film zeigt keine Greueltaten direkt, die Grausamkeiten werden sehr subtil - der Brief aus Ausschwitz, die Rücksendung der persönlichen Utensilien - angedeutet). Im Falle des Naziregimes kann man damit eigentlich gar nicht mehr aufhören. Und so wurde viel nur angedeutet. Hier wäre weniger wesentlich mehr gewesen.
Gut war hingegen Nadja Uhl. Sie spielte recht überzeugend das Naivchen Anna. Und sie macht natürlich auch einiges optisch her. Gut war auch, dass der Film zweisprachig gedreht wurde (deutsch - holländisch). Man sollte versuchen eine unsynchronisierte Fassung anzuschauen.
Im Grossen und Ganzen ein guter Film aber absolut kein Highlight. Dazu kommt, dass das Thema Drittes Reich einfach aufgebraucht ist. Sicherlich ist die Intension des Films löblich, doch zumindest scheint bei mir diese ewige Wiederholung abzustumpfen. Um es ganz extrem auszudrücken: Das Thema ist ausgelutscht. Der Europäische Film sollte zu neuen Ufern aufbrechen und versuchen, dort etwas zu bewirken. Das Schwelgen in der Vergangenheit wird unsere Probleme in der nahen Zukunft nicht lösen können.

100 Sonnen

66 Franken ärmer - ein Buch reicher. Und was für eines. 100 Sonnen weckt Faszination an menschengemachter Vernichtung. Mehr noch. Blättert man die schweren Seiten durch fühlt man sich irgendwie wie im Buch der Rekorde: Schneller, höher, weiter. In diesem speziellen Falle: Mehr, mehr, mehr Megatonnen! Betrachtet man die Pilze und die äquivalenten Tonnen TNT, mit denen die Sprengkraft einer Nuklearwaffe bestimmt wird, so gähnt man bei 10kT, wacht auf bei 500kT um bei 10.4MT zu erschauern. Dabei sei erwähnt, dass die Hiroshima-Bombe mit gerade mal 14kT bis heute zwischen 200.000 und 300.000 Tote forderte. Da wagt man sich nicht vorzustellen, was für eine Apokalypse hinter 20MT stecken. Und dennoch muss man sich vor Augen halten, dass es diese Höllenmaschinen gab und vermutlich immer noch gibt.
100 Photos von 100 Sonnen. Ist nicht ganz korrekt, weil einige der Testexplosionen mehrfach aus verschiedenen Blickwinkel eingefügt wurden. Das nimmt dem Buch jedoch nicht die morbide Faszination, die es ausstrahlt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Menschheit nicht noch mehr Photomaterial für einen Nachfolgeband liefern will.
Heute schon normal - trotzdem ärgert es mich immer wieder: Selbst in dem wenigen Text wurde ich sofort auf einen Fehler aufmerksam. Im historischen Abriss testete Indien seine erste Nuklearwaffe schon 1974. Wäre das der Fall, gäbe es heute wohl kein Pakistan mehr. Hier hat der Autor oder Übersetzer wohl China und Indien verwechselt. Ist ja auch fast das Gleiche. Erinnert an die famosen Europakarten im CNN und macht den geschichtlichen Abriss in 100 Sonnen wertlos. Wer weiss, was da sonst noch für Fehler drin schlummern.
Persian Papers

Skaif Yomonul

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