28
Sep
2004

Das Kreuz der Basisdemokratie

Letztes Wochenende spukte das braune Gespenst durch die Eidgenossenschaft. Nach den Wahlen im Osten Deutschlands fehlte auch die NZZ nicht mit bissigen Kommentaren. Zurecht! Die Entwicklung in den neuen Bundesländern ist besorgniserregend. Zu lange wurde geschlafen.
Doch nicht nur dort sehen Bürger in Ausländern zuallererst Fremde, die sich nur bereichern wollen. Auch viele Schweizer sind nicht viel besser. Ansonsten wäre die Abstimmung am letzten Sonntag nicht so geendet. Es ging darum, Ausländern, die teilweise schon in dritter oder vierter Generation in der Eidgenossenschaft leben, die Einbürgerung zu erleichtern. Sprich es geht um die Kinder, die eigentlich nur die Schweiz als ihre Heimat kennen, die Schweizer Freunde haben, die in Schweizer Schulen gehen oder gegangen sind. Es dreht sich um Kinder, die in ihrem Heimatland oft selbst als Ausländer verrufen sind. Sie werden weiterhin einen recht harten Kampf um die Bürgerrechte ausfechten müssen.
Soviel ich weiss kann sich in Deutschland ein Kind ausländischer Eltern, welches in Deutschland geboren wurde, mit dem 18. Lebensjahr entscheiden, wohin es gehören will und das ist auch gut so. Jeder will eine Heimat und im Falle der Nachfolgegeneration von Gastarbeitern ist diese Heimat meist nicht mehr identisch mit der ihrer Eltern.
Andere Länder wie die USA gehen sogar noch einen Schritt weiter. Dort ist jedes Kind, welches im Land geboren wurde automatisch US-Bürger (ob es später will oder nicht ;-) ).
Wieso legt sich also ein Land mit 20% Ausländeranteil quer? Wegen den 20%? Das wäre komisch, den dieser hohe Anteil zeigt vor allem, dass die Schweiz Ausländer benötigt, um das System am Laufen zu halten. Da unterscheidet sich die Alpenrepublik sehr wenig von anderen reichen Nationen. Wenn beide Elternteile arbeiten, dann tut oft ein Kindermädchen not. Und da man nicht zuviel ausgeben will, ist eine Illegale gerade recht. Der Bauherr, der am Stammtisch über alles Ausländische lästert, doch gerne die billige Arbeitskraft annimmt, wenn sie ihm angeboten wird, ist kein Phantasieprodukt. Er ist leider zu oft real. Während meiner Bosch-Zeit arbeitete in der Härterei fast kein Deutscher. Die tummelten sich alle in den Büros. Doch kann man eine Zündkerze am Schreibtisch schnitzen?
Kürzlich gab mir eine Kollegin ein Buch von T. C. Boyle. Es hiess Americá und handelte von illegalen Mexikanern in den USA. Doch kann man dieses Buch einfach übertragen. Auf Europa, Deutschland und eben auch auf die Schweiz. Die Art wie wir mit Ausländern umgehen ist heuchlerisch: Wir brauchen sie und doch sind sie immer die ersten Sündenböcke.
Ein Grund warum die Abstimmung so verlaufen ist, sehen viele Eidgenossen in der SVP-Kampagne. Diese Jungs, deren bekanntester Agitator sich Blocher schimpft, muss man eher dem rechten Rand zuordnen. Sie kämpften mit einer eigentlich unwürdigen Kampagne gegen die Initiative. Die Dreckigkeit erinnerte schon fast an einen amerikanischen Wahlkampf. Da fand sich plötzlich Osama bin Laden auf einer Schweizer ID-Karte oder griffen Hände aller Farben nach dem Roten Buch. Dazu muss man wissen, dass das rote Buch mit dem weissen Balkenkreuz heilig ist. Es wird gehegt und gepflegt, es kommt in eine Hülle, es darf nicht knicken oder gar dreckig werden (da bekomme ich jedesmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich meinen ersten Reisepass begutachte). Es scheint dem Eidgenossen so heilig wie dem Maoisten das Parteibuch. Kein Wunder also, dass die Schweizer Nein sagten. Jeder der sich nicht informiert hatte, musste so von einer Einbürgerung des halben Balkans ausgehen.
Es ist ein Kreuz der Basisdemokratie. Populismus kann vernünftige Entscheidungen hinauszögern oder gar verhindern. Im Falle der Einbürgerung kann man für die Schweiz nur hoffen, dass bald wieder eine Initiative ins Rollen gebracht wird. Auch die Schweizer Bevölkerung ist nicht so fleissig im Kinder machen. Sprich wenn nichts von aussen kommt, wird aus dem stolzen Volk bald eine Inzucht und dann ein Fall für die Geschichtsbücher. Die Zorroastrianer lassen grüssen.
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Skaif Yomonul

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